Eltern im Home-Office, Corona-Schulferien, Kontaktverbot, Ausgangsbeschränkungen und geschlossene Geschäfte: Die starken Einschränkungen des privaten Lebens reißen Kinder und Jugendliche aus ihrem klar strukturierten Alltag und verunsichern sie. Vor allem, wenn die Kinder bereits vorher unter familiären Problemen oder psychischen Belastungen zu leiden hatten, spitzen sich die Konflikte nun zu. Auch stehen Kinder und Jugendliche durch Existenzängste und schulische Sorgen unter Druck, einige leben nicht gerade in einem fürsorglichen Umfeld und sind nun auf sich allein gestellt. Denn gewohnte Ansprechpartner wie z.B. Lehrer, Sporttrainer, Betreuer und Freunde sind nicht oder nur begrenzt erreichbar. Es droht die ernstzunehmende Gefahr eines starken Anstiegs an häuslicher Gewalt, Depressionen und Suizidgedanken.

Jugendnotmail-Angebot für Jugendliche

Online-Beratungsangebot JugendNotmail

Die Online-Beratung JugendNotmail, ein Förderpartner der TRIBUTE TO BAMBI Stiftung, ist nun mehr denn je eine starke Stütze in der Kinder- und Jugendhilfe. Rund 150 ehrenamtliche Psychologen und Sozialpädagogen beraten bei JugendNotmail zu allem, was Kindern und Jugendlichen Sorgen bereitet und sie beschäftigt. Kinder und Heranwachsende bis 19 Jahre können sich dort kostenfrei registrieren und werden vertraulich und kompetent beraten. Im Dialog mit den Jugendlichen werden individuelle Lösungen erarbeitet. Neben der Einzelberatung bietet JugendNotmail einen wöchentlichen Themenchat in einer Gruppe sowie ein Forum zum Austausch an. Alle drei Angebote wirken präventiv und sollen den Ratsuchenden frühzeitig und niedrigschwellig Lösungswege aufzeigen.

JugendNotmail reagiert flexibel auf die neue Situation. Die Themen der kommenden moderierten Gruppenchats wurden angepasst, um auf den Gesprächsbedarf der Kinder und Jugendlichen in Zeiten von Corona zu reagieren. Besprochene Themen sind beispielsweise:

  • „Panik, Ignoranz oder bewusste Entschleunigung? Wie ist mein Alltag mit Covid-19?“
  • „Mit wem kann ich meine Ängste besprechen, wem kann ich vertrauen? Trauer, Sorgen und Konflikte in meiner Familie“
  • „Was kommt nach der Covid-Attacke? Alles auf Anfang und weiter im alten Trott? Oder Mut zur Veränderung?“

 

Vermehrte Anfragen seit Beginn der Corona-Krise

Die Verunsicherungen, Ängsten und Streitigkeiten mit den Eltern, die sich durch die wochenlange häusliche Isolation bei vielen Jugendlichen zeigen, schlagen sich nun bei JugendNotmail deutlich nieder: Im Vergleich zu den Wochen davor meldeten sich in den letzten vier Wochen 40 Prozent mehr Ratsuchende an. Auch die Möglichkeit der Einzelberatung wurde von mehr Jugendlichen in Anspruch genommen: 40 Prozent mehr als in den Monaten Februar und März holten sich Rat bei den Online-Beraterinnen und -Beratern. Im Fokus der Beratungen stehen die Themen „Familie“ und „Depression“. „Diese Entwicklung in der aktuellen Situation zeigt, wie wichtig präventive und unterstützende Beratungsangebote im Internet für Kinder und Jugendliche sind“, erklärt Stefanie Gießen, Leiterin der Geschäftststelle von JugendNotmail. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Probleme der Ratsuchenden in Zeiten der Pandemie ist die fachliche Expertise der Online-Berater von JugendNotmail besonders wertvoll.

„Die Tatsache, sich zurzeit mehr Zuhause aufhalten zu müssen und sich direkter mit Eltern und Geschwistern auseinandersetzen zu müssen, birgt viel Potenzial für Auseinandersetzungen oder psychische Belastungen durch Streitigkeiten, Verlust der Alltagsstruktur oder Zukunftsängste“, berichtet Kathrin Weitzel, langjährige Online-Beraterin bei JugendNotmail. Um die Corona-Themen in den Beratungen besser einordnen und einschätzen zu können, hat sich JugendNotmail 100 Stichproben aus stattgefundenen Beratungen genauer angeschaut, die seit Mitte März 2020 stattgefunden haben. Dabei wurde festgestellt, dass Jugendliche vermehrt von Konflikten und Aggressionen in der Familie wie beispielsweise einer Zunahme von verbaler und körperlicher Gewalt durch ihre Eltern berichten. Auch spielen die räumlichen Gegebenheiten dabei eine Rolle, da die Ratsuchenden den Eltern in den „Corona-Ferien“ nicht entgehen können. „Häusliche Gewalt ist derzeit leider ein ganz wichtiges Thema und hier gilt es Kinder und Jugendliche ganz besonders zu unterstützen“, sagt Weitzel. „Wenn keinerlei Möglichkeiten für die Jugendlichen bestehen, sich bei hochkochenden Konflikten eine Zuflucht bei Freunden oder Zerstreuung durch Aktivitäten außerhalb des Hauses zu suchen, können sich Frustrationen und erhöhte Reizbarkeiten in körperlichen Übergriffen entladen. Die Jugendlichen fühlen sich ausgeliefert und im Stich gelassen, etwa weil Akteure der Jugendhilfe vor Ort nicht mehr im üblichen Umfang aktiv sind.“

 

Zukunftsängste belasten Kinder

Zukunftsängste belasten Jugendliche

Eine ebenso so wichtige Rolle spielen Ängste und Unsicherheiten, mit denen Jugendliche aktuell zu kämpfen haben. Die Ratsuchenden beschreiben, das Durchkreuzen ihrer Zukunftspläne und damit verbundene großen Unsicherheiten und Zukunftsängste aufgrund der Krisensituation. Auch nehmen Panikattacken und Angstzustände zu, weil Covid-19 als Bedrohung empfunden wird oder kein Desinfektionsmittel zur Versorgung von selbstzugefügten Wunden zu bekommen ist. „Gerade Jugendliche in der Pubertät haben einen Freiheitsdrang und fordern einen Freiraum abseits der Kernfamilie“, meint die Online-Beraterin Weitzel, „daher kann die aktuelle Situation besonders bei Kindern und Jugendlichen zu Verunsicherung, Frustration und Ängsten führen.“

Nicht zuletzt kristallisiert sich auch eine Zunahme psychiatrischer Symptomatiken wie selbstverletzendes und anorektisches Verhalten seit Beginn des Homeschoolings, depressiver Symptome, steigenden Medikamenten-Missbrauches sowie suizidaler Gedanken heraus. „Durch die angestiegenen, psychischen Belastungen in der Krise richten sich die innerlichen Anspannungen gegen die Person selbst, eine Zunahme von Autoaggressionen und destruktiven Gedankenschleifen sind die Folge, aus denen die Jugendlichen ohne äußere Unterstützung nur schwer entkommen können“, so Weitzel.

 

Kinder und Jugendliche leiden auch unter Einsamkeit

Je länger die Kontaktsperre, Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen andauern, desto einsamer fühlen sich Kinder und Jugendliche. Sie erleben beispielsweise das Ausfallen von Jugendgruppen in der Corona-Zeit als belastend, da der soziale Anschluss verloren geht. Freunde fehlen als emotionale Stütze. „Gerade für Kinder und Jugendliche in der Pubertät werden Freunde und Freundschaften zunehmend wichtiger. Mit Freunden wird Freud und Leid geteilt, nicht mit den Eltern“, sagt Weitzel, „Daher wird gerade das Physical Distancing von ihnen als besonders einschneidend erlebt.“ Gleichzeitig verschließen sie sich momentan aber auch ihren Freunden gegenüber mehr, weil dies über den bloßen Messenger-Kontakt einfacher ist.

Insbesondere da viele Face-to-face Beratungsstellen und Unterstützungsmöglichkeiten sich aktuell einschränken müssen, wird die Online-Beratung somit wichtiger denn je. Daher wird erwartet, dass sich die Anfragen auf hohem Niveau fortsetzen oder sogar noch ansteigen.

 

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Ehrenamtliche Berater werden gesucht, um Angebot auszubauen

Um weiterhin jeden Notruf innerhalb von 24 Stunden beantworten zu können, sind Online-Einführungsworkshops für neue Online-Beraterinnen und -berater in Planung. Denn es steigen nicht nur die Notrufe der Jugendlichen, sondern glücklicherweise auch die Bewerbungen von Fachkräften, die Kinder und Jugendliche in dieser Zeit ehrenamtlich unterstützen wollen.

Kinder und Jugendliche, die eine Beratung, den Austausch im Forum oder im Themenchat suchen, bekommen hier Unterstützung: www.jugendnotmail.de

Bewerben als ehrenamtliche Online-Beraterin oder -Berater kann man sich unter diesem Link: https://www.jugendnotmail.de/berater/berater-werden/

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